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Projekt INFORMACON: Information, Bildung, Beratung zu den unfairen Handelspraktiken


Telefonkabel auf Privatgrund: BürgerInnen zahlen Tausende von Euros
VZS: Forderungen ungerechtfertigt, Telecom Italia reagiert ausweichend
Nun soll die Justiz entscheiden


Seit Jahren melden sich bei der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) und deren Partnerstelle CRTCU in Trient erboste BürgerInnen. Stein des Anstoßes sind die auf Privatgrund verlegten Kabel der Telecom, die nun aufgrund von Arbeiten umgelegt werden sollten. Zum Zeitpunkt der ursprünglichen Verlegung hatte Telecom Italia (oder gar noch die SIP) garantiert, man könne jederzeit eine kostenlose Um-Verlegung erwirken, es reiche hierfür ein Anruf. Dies auch weil für die Besetzung des Privatgrunds keinerlei Entschädigung bezahlt wird.

Wendet sich ein Bürger im Bedarfsfall an das zuständige Büro der Telecom Italia (TI) - das ist der sog. „Focal Point“ in Triest), erhält er meist erst nach monatelanger Wartefrist und zahlreichen Nachfragen eine Antwort. Und in dieser liest sich, dass „die geltenden Normen laut Artt. 91 und 92 des GvD 259/2003 die Kriterien für die Anlastung der notwendigen Kosten für den Eingriff vonseiten der Schreibenden zu Ihren Lasten regeln“ (le vigenti norme di legge di cui agli artt. 91 e 92 del D.Lgs. 259/2003 regolano i criteri di addebito, da parte della Scrivente ed a Suo carico delle spese di intervento che si renderanno necessarie). Des weiteren wird der Antragsteller aufgefordert, seine Zustimmung zur Übernahme der Kosten für den Eingriff mitzuteilen: dies durch Gegenzeichnung eines ungefähren Kostenvoranschlags und Überweisung von 80% der veranschlagten Kosten; sonst wird nicht einmal mit den Arbeiten begonnen.

Die BürgerInnen haben es meist eilig, mit den Arbeiten zu beginnen; außerdem wirkt die Angabe der Rechtsquellen einigermaßen einschüchternd, und so resignieren die meisten und zahlen, vielfach auch 4stellige Summen.

„Schade“ nur, dass sich in den von TI (einigermaßen überheblich) zitierten Artikeln von diesen „Kriterien für die Anlastung“ nicht die leiseste Spur findet. Den VerbraucherInnen wird solchermaßen also eine Zustimmung „entrissen“, die rein auf verzerrten Informationen beruht. Informieren sich die VerbraucherInnen zu einem späteren Zeitpunkt genauer und verlangen zu wissen, was denn in diesem Gesetz steht, wird ihnen die unterzeichnete Zustimmung vor die Nase gehalten, welche vertragliche Gültigkeit hat.

„Man kann im technischen Sinne nicht von ‚Betrug’ sprechen“ heißt es aus der VZS. „Dennoch könnte dieses Verhalten eine unfaire Handelspraktik darstellen, deshalb haben wir bereits bei der Antitrust-Behörde eine Eingabe gemacht“. Im Zuge des Antitrust-Verfahrens hat TI lediglich das Standard-Schreiben abgeändert: die Gesetzesartikel sind verschwunden, und nun ist von „geltenden Bestimmungen“ die Rede. „Das sieht nach einer Verzögerungstaktik aus, um das Antitrust-Verfahren in die Länge zu ziehen“ meinen die VZS-Berater.

Was aber passiert, wenn sich VerbraucherInnen rechtzeitig dokumentieren und auf den eigenen Rechten beharren? „Bis vor kurzem übernahm in einem solchen Fall TI die Kosten, wenn eine Baugenehmigung vorlag – dies könnte noch nachvollziehbar sein: sonst könnte man die Kabelverlegung auch willkürlich verlangen. Dann verlangte TI, dass der Umbau eine ‚Innovation’ mit sich bringt, um die Kosten zu übernehmen. Und die letzte Neuheit: man kann nur dann von ‚Innovation’ sprechen, wenn die Zweckbestimmung geändert wird.“

Wann übernimmt TI also die Kosten? „Vielleicht wenn der Besitzer seine Wohnung in eine Diskothek oder ein Feriendorf umwandelt? Andernfalls praktisch überhaupt nie.“

Für die VZS ist nun Schluss mit lustig. „Diese Situation ist nicht mehr tolerierbar und muss ein für alle mal geklärt werden. In einer Art von Größenwahn verhält sich TI wie ein stellvertretender Gesetzgeber; es werden einseitige und willkürliche Beschränkungen des privaten Eigentums auferlegt. Nur zur Erinnerung: das private Eigentum ist von der Verfassung geschützt und kann nur durch gesetzliche Bestimmungen begrenzt werden ... und keinesfalls von einem Telefonanbieter.“

Der dringende Rat an alle VerbraucherInnen, die sich in einer solchen Situation befinden: die auferlegten Bedingungen keinesfalls akzeptieren, sondern auf den eigenen Rechten beharren. VZS und CRTCU werden in der Zwischenzeit einen Musterfall vor den Richter bringen, um einen Präzedenzfall zu schaffen.


Medien-Information
Bz, 17.11.2011